Gerhart Hauptmann und die Ärzte – ein faszinierendes, bisher unerforschtes Beziehungsgeflecht mit zahlreichen Strängen, die sich gelegentlich zerspleißen, häufiger vernetzen, verflechten, zu Knäueln ballen. Gerhart Hauptmann, der Dichterfürst, der Nobelpreisträger bringt in seine Begegnung mit den Ärzten sich selbst ein: als homo patiens, der am eigenen Leib schwerstes Kranksein erfährt, der durch eigenes Leiden zum Mitleidenden wird und der sich aller „zum Umfallen geborenen“ Kreatur nicht nur als Mitfühlender, sondern auch als Wissender annimmt. In Zürich, Stralsund, Leubus und andernorts hat sich Hauptmann zum fähigen Laienpsychiater ausgebildet, hat Auguste Forel als Famulus durchs Zürcher Burghölzli begleitet, hat als Verstehender Psychologe Sigmund Freuds Verdrängungs-Analyse verwerfen müssen und stand zeit seines Lebens mit Handwerkschirurgen, Naturheilkundlern und Laienheilern im Austausch.
36 Arztfiguren hat Klemens Dieckhöfer herausgearbeitet – zwanzig davon aus den abgeschlossenen Werken, den Rest aus Fragmenten (bzw. aus teils unveröffentlichten Korrespondenzen) –: der promovierte Germanist, forensische Psychiater, Professor für Medizingeschichte brachte mit seiner weit ausgreifenden, die Soziologie mit einbeziehenden Ausbildung jene Voraussetzungen mit, die es erlaubten, Gerhart Hauptmann in seiner zeitlich-räumlichen Bedingtheit darzustellen und in seinen bioergopathographischen Dimensionen auszuloten. Dabei gelang es auch nachzuweisen, daß Hauptmann seine schlesische Bergheimat nie verlassen konnte, obwohl er das Auswandern jüdischer Freunde in die USA nach 1933 guthieß und auch literarisch gestaltete.