Das Buch enthält Darstellung und Anwendung einer strukturalistisch inspirierten Methode der Gedichtanalyse. Die Analyse zielt darauf ab, eine Art Grammatik der je gedichteigenen Sprache, des poetischen Idiolekts, zu erstellen. Der erste Teil des Buches erläutert grundlegende Annahmen über das Verhältnis zwischen Gemeinsprache und poetischem Idiolekt, der zweite entwickelt ein begriffliches Rüstzeug, mit dessen Hilfe der dritte neun französische Gedichte verschiedener Epochen analysiert. Die Untersuchung verarbeitet Anregungen von R. Jakobson, S. R. Levin und J. M. Lotman.
Zu den Grundgedanken der entwickelten Methode gehört, daß der poetische Idiolekt Textsegmente semantisch überformt, die von der Gemeinsprache bereits mit Bedeutungen ausgestattetet wurden. Im poetischen Idiolekt ist jedoch die Zuordnung von Zeichen und Funktion motiviert (Saussure), während sie in der Gemeinsprache arbiträr ist. Deswegen ist das Hauptproblem der Analyse nicht die Ermittlung der Bedeutung eines einmal gefundenen poetischen Zeichens, sondern die Ermittlung der Zeichen, denen der Idiolekt Bedeutung verleiht. Als poetische Zeichen fungieren Textsegmente kraft einer besonderen, vom Analytiker herauszufindenden Klassenzugehörigkeit. Ob eine Segmentklasse poetisch funktionalisiert ist, erweist sich an der Regelhaftigkeit ihrer Verteilung im Text. Unter den zahlreichen Varianten regelhafter Verteilung kommt der paradigmatischen Anordnung funktionalisierter Segmentklassen ein besonderes Gewicht zu: eine Bestätigung der Jakobsonschen Beobachtung, daß die Segmente eines poetischen Textes sich zueinander verhalten wie die Glieder eines Paradigmas.