Wer wollte heute noch an eine – echte – Tradition der Metaphysik glauben, daran, dass sie ein wirkliches Problem, eine wirkliche Aufgabe bedeutet? Kant, der ihr am Ende des 18. Jahrhunderts den Weg über zwei Jahrhunderte bis heute wies, glaubte, dass nur eine Erklärung sowohl des menschlichen Verstandes- als auch Urteilsvermögens das Verhältnis zwischen Idealismus und Realismus zu lösen imstande sei. Diese Lösung, als zugleich Rationalismus, erklärt, es müssten die Urteilsformen in Abhängigkeit von den Kategorien als reinen Verstandesbegriffen durchleuchtet werden, um einzusehen, was Erkenntnis ist und wie viel Geltung ihr zukommt. Viele und überaus verschiedene bedeutende Autoren haben sich dieser Antwort zugewendet, und nicht wenige fühlten den Zwang, der Tatsache Ausdruck zu verleihen, dass der Hauptschluss von der Natur her nicht gerechtfertigt sei oder unschließbare Unstimmigkeiten hinterlasse.
Hiermit ist die Grundlinie des Buches berührt. Es erhebt den Einwand gegen eine kardinale Annahme: dass die Sinnlichkeit, sobald sie als Erkenntnisvermögen – und damit auch Quelle von Wissenschaft – betrachtet wird, nur und ausschließlich eine materiale Funktion zu erfüllen imstande sei. Der Grund für diesen wesentlichen Einwand ist zugleich der Anlass des Titels: Innerhalb der gesamten Tradition rationalen Denkens ist niemals ein Denker aufgetreten, der die Frage untersucht hätte, ob die Sinnlichkeit imstande sei, das Verstandesvermögen zu bestimmen. Die Antwort muss ein Ja sein, und die Abhandlung gerät deshalb in einen Beweis. Die Evaluation der Sinnlichkeit als jene Kraft, welche das Erkenntnisbewusstsein reguliert, wird der Gegenstand verschiedener Beleuchtungen: in der Auseinandersetzung mit der zurückliegenden Literatur (seit Platon, Kemp-Smith und Cassirer), in deren Namen Autor nach Autor sich gedrängt fühlte, den einzig rationalen Schluss zu unterstreichen. In der Auseinandersetzung mit Kant selber, indem der Beweis angetreten wird, dass der Begriff und die Bedeutung von Bestimmung doppeldeutig (äquivok) sind – einmal in Beziehung auf die Erfüllung eines Urteils und seiner kategorialen Form, das andere Mal in Beziehung auf ein bestimmtes Ich oder einen bestimmten Gegenstand in der Anschauung, in dem – vor aller theoretischen Bestimmung, die angeblich die Kategorien leisten sollen – alle Bestimmtheit schon gegeben ist.
Diese Sätze klingen, als ob sie von einem nur begrenzten philosophischen Interesse seien. Aber tatsächlich trifft das Gegenteil zu: weil in der Möglichkeit, die Fakultäten miteinander zu ordnen, notwendig auch jene enthalten ist, in der sich die Sinnlichkeit als Figur oder als Schema die Substrate des Verstandesvermögens unterordnet. Ganz ebenso, wie umgekehrt nach der einfachen (angeblich einzigen) Vorstellung Kants die theoretische Erkenntnis ansonsten eine Anschauung einem Begriff subordiniert. In dieser Konvertibilität der Vermögensrelation, aus der sich eine verschiedene und komplementäre Form von bestimmter Erkenntnis ergibt, liegt aber auch die Wurzel der Möglichkeit verborgen, den Realismus mit dem Idealismus in eine wahre Abstimmung zu bringen – das Plädoyer schließt auf ein natürliches, projektives Verhältnis und darauf, dass es die reine Anschauung so wenig gibt wie die angebliche Opaqueheit, völlige Uneinsehbarkeit des Ding an sich.