Fachprosaforschung – Grenzüberschreitungen 2/3 (2006/2007)

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Die deutsche Fachliteratur des Mittelalters ist aus den modernen Darstellungen zur Literatur- und Wissenschaftsgeschichte nicht mehr wegzudenken; zahlreiche kulturgeschichtliche Disziplinen benutzen ihre Texte als Basis. Als Fachprosa der Freien und Eigenkünste umfaßt sie das Schrifttum von Medizin, Pharmazie, Alchemie, Mathematik, Astronomie und greift über den Bergbau, die Handwerke und das Kriegswesen bis zur Wald- und Landwirtschaft, zur Seefahrt, zum Handel und zu den Verbotenen Künsten aus. Die Fachprosaforscher kommen – wie nicht anders zu erwarten – aus heterogenen Disziplinen und arbeiten als Ärzte, Apotheker, Natur-, Kultur-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaftler mit unterschiedlicher Methodik auf unterschiedlichen Gebieten des weiten Literaturkomplexes; entsprechend weit gestreut sind ihre disparat erscheinenden Veröffentlichungen. Insofern war es angezeigt, jenen Weg weiter zu beschreiten, den Sudhoff 1908 mit Sudhoffs Archiv erstmals gewiesen hatte und der – von Gerhard Eis gebahnt – zu einer eignen Zeitschrift führen sollte: Die Fachprosaforschung bietet sämtlichen Disziplinen, die sich mit altdeutschen Fachprosatexten befassen, das geeignete Forum; grenzüberschreitend greift sie von der Sozial- bis zur Militärgeschichte aus; grenzüberschreitend verfolgt sie die Wirkungsgeschichte über die Epochenschwelle bis in die Neuzeit, und grenzübergreifend geht sie jenen Entwicklungen nach, die bereits vor der antik-mittelalterlichen Epochengrenze einsetzen. Entsprechend übergreifend angesiedelt ist sie methodisch in Grenzgebieten zwischen einzelnen Disziplinen.

Die Grenze zur Zukunft ist nicht überschritten, aber im Bereich des historisch Gesicherten fächert das zeitliche Spektrum weit auf und umgreift von den keltischen Arztgräbern des frühen Latène bis zu den jüngsten Parzival-Studien Bernhard Haages (2008) immerhin fast 6000 Jahre, was mühelos um zwei zusätzliche Jahrtausende erweitert werden kann, wenn man die Trepanationssäge aus der mährischen Býči-skala-Höhle hinzunimmt. Und mit den Untersuchungen zur Wortgeschichte und Petrographie des Fango öffnen sich zeitliche Dimensionen, die bis in erdgeschichtliche Weiten zurückreichen. Die Palette der Themen fächert ähnlich weit auf und greift vom Militärkrankenhaus Gülhane über das königlich niederländische Heeressanitätswesen bis zur Notversorgung schlesischer Heere im Spätmittelalter aus; bei 32 Originalien im Umfang von 6 bis 35 Seiten kann es nicht überraschen, daß bei den Anwendungen Heilerde und Heilatmung mit magischen Heiltieren konkurrieren, daß beim Krankenhausbau kühne Entwürfe mit ebenso kühnen Realisaten wetteifern und daß hinsichtlich der Verkehrssprache der Autoren das Spanische sowie das Englische sich neben das – weit überwiegende – Deutsche stellen. Die biographisch abgehandelten Persönlichkeiten sind Kaiser und Könige (Claudius, Richard Löwenherz, Philipp II. August), Heilige und oppositionelle Theologen (Kosmas, Damian, Wilhelm Zimmermann, Johannes Uhde), von Nationalsozialisten entlassene Nationalsozialisten (Lothar G. Tirala), Gesundheits- und Krankenhausreformer (Robert Rieder Pascha), Ärzte, die als Stadtarzt erfolgreich wirkten oder als Auftragsmörder die Reichsgeschichte lenkten (Andreas Starck, Gaius Stertinius Xenophon); von den beiden dargestellten Medizinhistorikern hat der eine das Gesundheitswesen Indiens reformiert, der andere die Akademie und die Universität Düsseldorfs gestaltet (Henry E. Sigerist, Hans Schadewaldt). Physiologische und pathologische Problemstellungen ergeben sich aus der Gynäkologie, aus der Seuchengeschichte der Kreuzzüge und aus der Frage, ob Ibn an-Nafīs noch als Beschreiber des Kleinen Kreislaufs gelten kann. Ernährungstheoretisch rückt die Fleisch-Nikotin-Alkohol-Abstinenz moderner Lebensreformer neben das Bemühen, einen Jagdfalken mit Ammendiät sicher durch die Mauser zu führen; die Studien zur Ernährungskonstitution kontrastieren mit der Abhandlung zum Zucker als süßester Versuchung und mit dem Nahrungsmangel in Kleinbauern- und Tagelöhnerfamilien. Medizinethische Analysen differenzieren thanatognostisch zwischen innerem (psychischem) und äußerem (biologischem) Tod, rechtfertigen palliative Maßnahmen, problematisieren die Sterbehilfe und geben Orientierungshilfen bei gentechnisch bedingten Aporien. Als Quelle dienten geologische wie osteoarchäologische Materialien und insbesondere Texte, deren älteste zur griechischen Epigraphik und römischen Historiographie gehören und deren Mehrzahl der spätmittelalterlichen Fachprosa zuzuordnen ist. Vorgestellt werden Neufunde und Neuinterpretationen zur Hausbuchforschung, zur Vierer- bzw. Siebener-Gliederung der Lebensalter bei Bernhard von Gordon (und Arnald von Villanova), zur Phytotherapie bei Alexander Hispanus, zur Rezeption der Experimenta des Nikolaus von Polen und zum feldärztlichen Wundmanagement einschließlich der Blutstillung. Zwei Texte werden in kritischer Ausgabe erstmals ediert.

Auflage

1. Auflage

Umschlag

Broschur

Jahr

2008

Maße

150 x 210

Seiten

605